Als einer der kleineren Friedhöfe der Stadt Köln beherbergt der Müngersdorfer Friedhof eine facettenreiche und dichte Ansammlung hölzerner Grabmale, wie sie in katholischen Gegenden seit dem 18. Jahrhundert üblich sind.
Die Einrichtung des Friedhofs – damals noch Kirchhof genannt – erfolgte 1873, ein Jahr später fand die erste Beisetzung dort statt. Damals bestand der Friedhof nur aus einem kleinen Karree, das in der Mitte des heutigen Friedhofsareals lag. Anders als die keilförmige Anlage vielleicht vermuten lässt, ist der Friedhof nicht von Norden nach Süden gewachsen, sondern hat sich in beide Richtungen schubweise vergrößert. Erweiterungen erfolgen 1949, 1953 und in den 1960er Jahren.
Obwohl der Friedhöf sowohl einen alten Baumbestand als auch viele Sträucher und kleinere Freiflächen aufweist, ist der Gesamteindruck geordnet und gradlinig. “Wildromantisch” und “verschlungene Pfade” sucht man hier zwar vergebens, dafür gibt’s auf kleinstem Raum eine beeindruckende Vielfalt von Grabmalen zu bestaunen – vor allem viele aufwending und kunstvoll gearbeitete hölzerne Grabkreuze.
Holz wird als Werkstoff für Grabzeichen verwendet seit es individuell gekennzeichnete Grabstellen gibt. Im deutschsprachigen Raum sind hölzerne Grabmale seit Jahrhunderten fester Bestandteil der Grabkultur und heute erhaltene Holzgrabzeichen stammen zum Teil noch aus dem 18. Jahrhundert. Dass wir bei Grabmalen heute vor allem an Grabsteine denken, ist sicherlich nicht falsch, dabei müssen wir jedoch eine “Erhaltungsverzerrung” mitdenken, die aufgrund der natürlichen Vergänglichkeit von Holz gegenüber Stein sowie der bevorzugten Verwendung von steinernen Grabmalen für opulente und heute daher “historische” Gräber Holz eher in den Hintergrund treten lässt. Dabei sind hölzerne Grabkennzeichen erstaunlich beständig im “Design” – die am weitesten verbreitete Variante des lateinischen Kreuzes findet sich noch heute auf jedem Friedhof und sei es nur als “Platzhalter” bis zur Errichtung eines Grabsteins. Als dauerhafte Variante der Grabkennzeichnung sind hölzerne Grabmale in Form und Gestaltung über die Jahrhunderte weitesgehend unverändert geblieben und noch heute vor allem in katholischen Gegenden sehr häufig anzutreffen.
Die häufigste Formenvariante des hölzernen Grabmals auf dem Müngersdorfer Friedhof ist das übergiebelte Kreuz, wobei das Kreuz nicht freistehend sein muss, sondern oft auch angedeutet wird (Bild 3) oder vor einer Holzplatte montiert ist (Bild 2). Seltener aber immer noch mit ein paar Exemplaren vertreten ist die hölzerne Steele (Bild 4+5), die ihrerseits auch einen Giebel aufweist. Alle hölzernen Grabmale tragen christliche Symbolik, die meisten eine Abbildung Jesu (gekreuzigt oder stehend), einige aber auch Weinlaub, betende Hände oder Ähnliches. In Müngersdorf sind die Holzgrabmale fast alle aufwending gestaltet und künstlerisch verziert. Das war nicht immer üblich: In früheren Jahrhunderten dienten einfache Grabkreuze vor allem ärmeren Menschen als Grabmal. Auch waren hölzerne Grabzeichen häufig farbenfroh bemalt, das ist seltener geworden und im Rheinland fast überhaupt nicht anzutreffen.
Neben dieser Vielfalt an Holzkreuzen versammelt der Müngersdorfer Friedhof auch einige Anschauungsbeispiele eines anderen lokalen Phänomens: Der Grabstein mit Köln-Bezug. Grabzeichen mit lokaler Referenz sind aus so gut wie allen Städten mit überregional berühmten Wahrzeichen bekannt. Sowohl in den entsprechenden Städten selbst als auch weiter weg finden sich immer wieder Gräber, die prägnant und unmissverständlich auf einen bestimmten Ort Bezug nehmen. Ein schönes Beispiel dafür ist auch eine feine kleine Bronze auf einem Essener Friedhof in Form des Berliner Bären.
Ich kann mir aber irgendwie nicht helfen – Köln ist halt Köln und die Kölner lieben ihren Dom. Wahrscheinlich ist es Einbildung meinerseits, aber immer, wenn ich vor einem “Köln-Grabstein” stehe, habe ich das Gefühl, dass es hier doch noch ein paar mehr davon gibt, als vergleichbare Wahrzeichen anderswo. Belastbare Zahlen dazu gibt es jedenfalls nicht.
Neben diesen beiden regionaltypischen Gruppen wechseln sich schlichte und aufwendigere, ältere und neue Grabmale harmonisch ab. Die Grabzeichen haben überwiegend einen religiösen Bezug, viele enthalten figürliche Darstellungen. Auf diesem Friedhof befinden sich auch die Gräber vieler prägender Müngersdorfer Pastoren, sowie das der Bildhauerin Hildegard Domizlaff, die in Köln und darüber hinaus vor allem für ihre sakralen Kunstwerke bekannt ist. Ihre Grabplatte gestaltete der Bildhauer Elmar Hillebrand, dessen Plastiken – häufig auch mit sakralem Bezeug – in ganz Europa an öffentlichen Orten zu finden sind. Kölnerinnen und Kölner kennen ihn vor allem für sein Hauptwerk: den Hauptaltar des Kölner Doms. Wer hochschulpolitisch engagiert ist, erinnert sich vielleicht an das “Marburger Manifest” – ein akademisches Bündnis gegen die zunehmende Demokratisierung der Hochschulen in den 60er Jahren. Als Professor für Plastik an der RWTH Aachen gehörte Hillebrand zu den führenden Köpfen hinter dem “Manifest”. Auch ein Stück Zeitgeschichte, das hier in Müngersdorf zumindest gestreift wird.
Wenn man nur einen Friedhof in Kön besuchen will, fiele meine Empfehlung wahrscheinlich nicht auf den Müngersdorfer Friedhof. Ein bisschen steht er schon im Schatten seiner größeren und berühmteren Kollegen im Kölner Stadtgebiet. Wenn man aber in der Gegend ist und ein wenig in die Vielfalt regionaltypischer und tradierter Grabzeichen eintauchen will ohne dabei weite Strecken zurücklegen zu müssen, ist dieser schöne Friedhof einen Spaziergang wert.
Friedhof Müngersdorf, Kirchenhof, 50933 Köln. Der Friedhof ist für Bestattungen geöffnet. Die Wege sind barrierearm, aber teilweise steinig. Öffnungszeiten: März 8-18 Uhr, April bis September 7-20 Uhr, Oktober 7-19 Uhr, November bis Februar 8-17 Uhr.
Danke für die Informationen über die verwendeten Materialien für Grabmäler. Meine Tante und ich sind uns einig, wenn wir mal sterben, hätten wir gern ein Grabmal aus weißem Marmor oder anderem hellen Stein. Wir haben vor, selbst unser Grabmal kaufen, um unsere Familien zu entlasten. Mir war gar nicht bewusst, dass Stein eher für opulente Grabmäler verwendet wurde, und deshalb auch in jedem Friedhof das lateinische Kreuz vorzufinden ist.
Danke für Ihren Kommentar! Ich finde immer wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass solche überblickshaften Darstellungen natürlich eine historische Perspektive einnehmen, während es bei der Gestaltung des eigenen Grabes vor allem um den persönlichen Geschmack gehen sollte. Erlaubt ist was gefällt (beziehungsweise was die Friedhofssatzung erlaubt). Viele Grüße!